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Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 05.03.2003
Aktenzeichen: 13 AR 3/03
Rechtsgebiete: ZPO, BGB
Vorschriften:
ZPO § 29 | |
ZPO § 36 Abs. 1 Ziff. 6 | |
ZPO § 36 Abs. 3 | |
ZPO § 281 Abs. 2 Satz 2 | |
BGB § 269 | |
BGB § 270 |
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT Beschluss
In dem Rechtsstreit
hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 13. Zivilsenat, am 05. März 2003 durch die Richter
beschlossen:
Tenor:
Die Sache wird gemäß § 36 Abs. 3 ZPO dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.
Gründe:
I.
Auf Antrag der Kläger hat das Amtsgericht Hamburg gegen die Beklagte einen Mahnbescheid wegen angeblicher Ansprüche auf Bezahlung von Steuerberaterhonorar erlassen. Nach Widerspruchserhebung durch die Beklagte ist der Rechtsstreit am 7.10.2002 an das Amtsgericht Hamburg-Altona abgegeben worden. Die Kläger haben im Mahnantrag dieses Gericht, in dessen Bezirk die Kanzlei der Kläger liegt, als für ein streitiges Verfahren zuständiges Gericht bezeichnet.
Mit Schriftsatz vom 4.11.2002 haben die Kläger die Abgabe des Verfahrens an das für den Wohnsitz der Beklagten zuständige Amtsgericht Mitte in Berlin beantragt. Auf die Aufforderung des Gerichtes, zur beabsichtigten Verweisung Stellung zu nehmen, hat die Beklagte ebenfalls beantragt, das Verfahren an das Amtsgericht Mitte abzugeben. Daraufhin hat sich das Amtsgericht Hamburg-Altona mit Beschluss vom 13.12.2002 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Mitte in Berlin verwiesen.
Das Amtsgericht Mitte hält den Verweisungsbeschluss für willkürlich und damit nicht bindend und hat die Sache dem Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg zur Bestimmung des zuständigen Amtsgerichts vorgelegt.
II.
1. Der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts ist gemäß § 36 Abs. 1 Ziff. 6 ZPO zulässig. Das Amtsgericht Hamburg-Altona, in dessen Bezirk die Kläger ihren Kanzleisitz haben, hat sich durch gemäß § 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO unanfechtbaren Beschluss für unzuständig erklärt. Das Amtsgericht Mitte hält sich ebenfalls für örtlich unzuständig und hat den Rechtsstreit zur Bestimmung des zuständigen Gerichtes vorgelegt.
2. Der Senat halt den Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Hamburg-Altona vom 10.12.2002 für nicht bindend, weil er jeglicher rechtlicher Grundlage entbehrt und sich damit als willkürlich darstellt. Zwar sind auch rechtsfehlerhafte Verweisungen grundsätzlich wirksam; das gilt aber nur dann, wenn seitens des Gerichtes zumindest eine gesetzliche Grundlage für die Verweisung angenommen worden ist.
Die Parteien hätten zwar übereinstimmend verlangen können, dass das Verfahren vom Mahngericht, dem Amtsgericht Hamburg, nicht an das Amtsgericht Hamburg-Altona, sondern an ein anderes Gericht abgegeben werde. Ein solcher übereinstimmender Antrag ist jedoch beim Mahngericht bis zur Abgabe an das Amtsgericht Hamburg-Altona nicht eingegangen. Nach deren Vollzug ist die vom Kläger getroffene Wahl unwiderruflich und verbindlich. Eine Verweisung seitens des Amtgerichts Hamburg-Altona hätte nur noch erfolgen können, wenn dieses Gericht für eine Entscheidung unzuständig gewesen wäre. Ob das Amtsgericht Hamburg-Altona hier eine gesetzliche Grundlage angenommen hat, aufgrund derer es für eine Entscheidung unzuständig ist, ist allerdings nicht erkennbar, da der Verweisungsbeschluss keine Begründung enthält. Es lässt sich daher insbesondere nicht nachvollziehen, ob und inwieweit sich das Amtsgericht gegebenenfalls mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob Honoraransprüche eines Steuerberaters gemäß § 29 ZPO am Kanzleisitz geltend gemacht werden können.
3. Fehlt somit dem Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Hamburg-Altona die Bindungswirkung, so ist das örtlich zuständige Gericht allein nach den einschlägigen Zuständigkeitsvorschriften zu bestimmen.
Örtlich zuständig ist nach Auffassung des Senates für die hier geltend gemachten Honoraransprüche eines Steuerberaters nicht gemäß § 29 ZPO das Gericht am Kanzleisitz des Steuerberaters in Hamburg-Altona, sondern das für den Wohnsitz zuständige Amtsgericht Mitte in Berlin. Der Senat hält insoweit nicht mehr an seiner im Beschluss vom 6.12.2001 (BRAK-Mitt. 2002, 44) bezüglich Honoraransprüchen eines Rechtsanwalts geäußerten Rechtsauffassung fest.
Bei gegenseitigen Verträgen ist der Erfüllungsort für die Verbindlichkeiten bei der Vertragstelle selbständig zu bestimmen. Es bestehen daher für die Hauptleistungspflichten i.d.R. unterschiedliche Erfüllungsorte. Entsprechend diesem Grundsatz ist auch für die Honorarklage des Steuerberaters - ebenso wie für die des Rechtsanwaltes - von den Regelungen der §§ 269, 270 BGB auszugehen. Danach hat bei Geldforderungen die Leistung an dem Ort zu erfolgen, an welchem der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz hat. Anhaltspunkte dafür, den Erfüllungsort für die streitige Honorarforderung bei den Klägern zu sehen, ergeben sich im vorliegenden Fall aus der Natur des Schuldverhältnisses nicht.
Die Annahme der Kanzleisitz bei einem Steuerberatervertrag sei Leistungsort für die Zahlungsverpflichtung und damit Erfüllungsort im Sinne des § 29 ZPO findet nach Ansicht des Senates in den gesetzlichen Regeln keine Stütze und wird auch zunehmend von den Gerichten abgelehnt (vgl. Amtsgericht Bergedon in MDR 2002, 851f; LG Berlin in NJW-RR 2002, 307, OLG Hamburg in OLGR 2000, 222 sowie bezüglich Rechtsanwaltshonorar. LG Hanau in MDR 2002, 1032; LG Ravensburg in BRAK 2002,99f; LG München I in NJW-RR 2002, 206f.; LG Frankfurt/M. in MDR 2001, 1257).
Allerdings geht die obergerichtliche Rechtsprechung zum Teil davon aus, dass bei besonderer Ortsgebundenheit der vertragscharaktenstischen Werk- oder Dienstleistung ein gemeinsamer Erfüllungsort besteht (vgl. Palandt-Heinrichs, § 269 Rdnr. 13). Nach Auffassung des Senates ist es allerdings schon zweifelhaft, ob innerhalb eines synallagmatischen Vertrages eine Leistung die "wichtigere" Leistung sein kann mit der Folge, dass sie den Schwerpunkt des Vertrages bildet und damit den Erfüllungsort beider Leistungen bestimmt (vgl. dazu Einsiedler in NJW 2001, 1549f.). Dass ein Schuldverhältnis eine vertragscharakteristische Leistung aufweist, die den sog. Schwerpunkt des Vertrages bildet, ist keine Besonderheit, die es rechtfertigt, einen gemeinsamen Erfüllungsort anzunehmen, sondern es handelt sich um einen Umstand, der nahezu jedem Schuldverhältnis immanent ist. Warum diese Leistung das Schuldverhältnis derart prägen soll, dass sie zugleich auch den Ort der Gegenleistung bestimmt, ist nicht ersichtlich. Das Gegenseitigkeitsverhältnis, in dem Leistung und Gegenleistung stehen, ist jedenfalls für die Annahme eines gemeinsamen Erfüllungsortes nicht ausreichend. Im übrigen ist aber die Dienstleistungstätigkeit eines Steuerberaters - anders als bei einem Bauvertrag oder einem Vertrag über die Reparatur eines Kraftfahrzeuges - auch nicht ortsgebunden. So sucht ein Steuerberater nicht selten Klienten an deren Wohn-/Geschäftssitz auf, um dort zu beraten oder Buchhaltungsarbeiten auszuführen. Im Ergebnis ist kein Grund ersichtlich, die an dem Gerechtigkeitsgedanken orientierte prozessuale Lastenverteilung und den Gerichtsstandsregelungen innewohnenden Schuldnerschutz auszuhebeln. Insoweit fehlt es auch an der besonderen Schutzwürdigkeit des Steuerberaters.
Etwas anderes ergibt sich insbesondere auch nicht aus der - gegenüber Art. 5 EuGVÜ neugefassten - Vorschrift des Art. 5 Abs. 1 Ziff. 1.b) EuGVVO. Diese Vorschrift begründet sich aus der besonderen Situation, bei der die Vertragspartner aus unterschiedlichen Ländern stammen, so dass hier ein Bedürfnis für eine einheitliche rechtliche Regelung für das gesamte Vertragsverhältnis besteht.
4. Da der Senat bei der Bestimmung des Amtsgerichts Mitte in Berlin als zuständiges Gericht von der Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm vom 6.10.1998, Az. 1 Sbd 46/93, in der als gemeinschaftlicher Erfüllungsort für die Zahlung von Sreuerberaterhonorar der Ort des Kanzleisitzes gesehen wird, abweichen würde ist die Sache gemäß § 36 Abs. 3 ZPO dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorzulegen.
Ende der Entscheidung
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